Seit den frühen Tagen des Hobbys spielen Zufallstabellen eine große Rolle. Sie inspirieren den Spielleiter und nehmen ihm Arbeit ab.
Ein Würfelwurf und der SL weiß, welche Gegenstände der Dieb in der Tasche seines Opfers findet, welcher magische Gegenstand in der Truhe verschlossen ist oder welche Gegner im Dungeon auf die Spieler lauern. Sie sind aber noch viel mehr.
Wird etwa das Verhalten von NSC mit einer Zufallstabelle verknüpft, kann sie zur Charakterisierung der Figuren beitragen. In unserem neuen Abenteuer „Der Heilige von Bruckstadt“ (Erscheinungstermin voraussichtlich Ende Dezember 2020) treffen die Spieler in einem ruinierten Haus auf die Wachen Nagl und Urm. Eine Tabelle gibt Auskunft, was die beiden gerade tun.
1: Nagl rasiert sich den Bart vor einem Handspiegel, den er am Kaminsims aufgestellt hat. Urm ölt seine Arkebuse.
2: Essen Eintopf aus Holznäpfen: Sprechen in gedämpfter Stimme über die Eule ihrer Anführerin Suula, von der sie glauben, das der Vogel ein verzauberter Liebhaber ist.
3: Würfeln um ihren kürzlich ausbezahlten Sold.
4-5: Heftiger Streit, weil Nagl entdeckt hat, dass Urm mit gezinkten Würfeln spielt.
6: Nagl wäscht sein blutfleckiges Hemd in einem Holzbottich. Urm liegt mit Bauchstich blutend am Lager.
Unabhängig vom erwürfelten Ereignis erhält der Spielleiter aus der Tabelle Informationen über Nagl und Urm: Die beiden sind Spieler, bereit ihren hart verdienten Sold in die Waagschale des Glücks zu werfen. Urm ist zudem ein Betrüger, Nagl gewalttätig. Beide haben offenbar Respekt vor einer Frau namens Suula, der sie magisches Wissen unterstellen.
Unabhängig von der erwürfelten Szene kann der SL dieses Hintergrundwissen nutzen, um die Wachen und ihr Verhalten lebhaft zu beschreiben.
Rulings over Rules
Wie immer bei Zufallstabellen handelt es sich zunächst nur um Vorschläge. Der SL kann im oben angeführten Beispiel auf das Würfeln verzichten und sich statt dessen bewusst für eine der 5 Szenen entscheiden. Er kann aber auch die Tabelle völlig ignorieren, wenn ihm mögliche Ergebnisse nicht zur Spielsituation passen. Wie in der Tradition der OSR üblich, gilt auch hier: Rulings over Rules.
Wie James Maliszewski auf seinem Blog Grognardia ausführt, gab es Tabellen für das Verhalten von NSC bereits in der ersten Ausgabe von Dungeons & Dragons (1974). Der dritte Band der Regeln (The Underworld & Wilderness Adventures) enthält die Tabelle „Random Actions by Monsters“. Ein W12 bestimmt, ob das Monster sich aggressiv, neutral oder friedlich gegenüber den SC verhält.
Im von Tom Moldvay editierten D&D Regelwerk von 1981 gibt es eine Tabelle „Retainer Reactions“. Hier bestimmt der W12, ob ein anzuheuernder Mietling auf das Angebot der SC eingeht. Wobei ein besonders gutes Angebot oder ein hoher Charisma-Wert einen Würfelbonus bringt.
Von Nutzen sind Zufallstabellen auch, um einen Dungeon aufzustocken, wenn die SC nach einer Ruhephase aus der nahen Ortschaft zurückkehren.
Barrowmaze, ein 2014 von Greg Gillespie veröffentlichter Megadungeon
Vor allem bei einem Mega-Dungeon, den die Spieler dutzende Male verlassen, um zu heilen und Ausrüstung aufzustocken, helfen Tabellen den Dungeon lebendig zu halten. Prominent umgesetzt hat das Greg Gillespie in seinem Barrowmaze: Eine Zufallstabelle bestimmt, ob in einen bereits erforschten Raum neue Monster eingezogen sind.
Andere Dungeon-Abenteuer gehen noch weiter und lassen den Zufall entscheiden, ob ein bisher unentdecktes Gewölbe in der Zwischenzeit von konkurrierenden Grabräubern geplündert wurde.
Zufallstabellen haben daher das Potenzial, nicht nur für die Spieler, sondern auch für den SL den Spielverlauf ein Stück weit unvorhersehbarer zu machen, als es bei Rollenspielen sowieso schon der Fall ist.
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